Im Zuge des Ukraine-Konflikts hat das Thema der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands maßgeblich an Bedeutung gewonnen. Dieser Wandel in der gesellschaftlichen Debatte spiegelt sich auch in der Finanzwelt wider: Nachdem Investitionen in die Rüstungsindustrie für nachhaltige Fonds lange Zeit größtenteils ausgeschlossen waren, wurden die Regeln im vergangenen Jahr geändert. Wie die neue Regelung aussieht und welche Auswirkungen diese auf die Anlagepolitik vieler ESG-Fonds hatte, möchte die DSS Vermögensverwaltung im folgenden Blogtext etwas näher ausführen.
Was sich geändert hat
Im sogenannten ESG-Zielmarktkonzept hatte der deutsche Fondsverband BVI gemeinsam mit den Verbänden der Kreditwirtschaft und dem Zertifikateverband Mindeststandards für Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen festgelegt. Diese beinhalteten eine Regelung, die als nachhaltig deklarierten Fonds Investitionen in Unternehmen untersagte, die mehr als zehn Prozent ihrer Umsätze aus der Herstellung oder dem Vertrieb von Rüstungsgütern erzielen. Um den veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen, wurde dieses Konzept im vergangenen Jahr überarbeitet. Im Zuge dieser Anpassung wurde die Ausschlussklausel Ende 2024 gestrichen, seitdem sind lediglich Investitionen in Hersteller völkerrechtlich geächteter Waffen untersagt.
Folgen der Öffnung des ESG-Anlageuniversums für Unternehmen aus der Rüstungsindustrie
Diese Änderung zeigte bereits im ersten Halbjahr 2025 spürbare Auswirkungen auf die nachhaltige Fondslandschaft. Dem aktuellen Bericht „Fokus Nachhaltigkeit“ des BVI zufolge stieg der Portfolioanteil von Unternehmen der Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsindustrie bei aktiv gemanagten nachhaltigen Aktienfonds nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung von 0,8 Prozent (Jahresende 2024) auf 1,3 Prozent (30. Juni 2025). Besonders Fonds mit Anlageschwerpunkt Deutschland, die nach der Änderung beispielsweise in Aktientitel wie Airbus oder Rheinmetall investieren können, weiteten ihr Engagement aus: Bei diesen betrug die „Aerospace & Defence“-Quote zur Jahresmitte 4,6 Prozent.
Fonds nach Artikel 9 wiesen zum Ende des ersten Halbjahres 2025 mit 0,2 Prozent erstmals überhaupt Positionen in diesem Bereich aus. Auch bei konventionellen Fonds sind die Investitionen in der Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsindustrie in dem betrachteten Zeitraum gestiegen, und zwar von 2,0 auf 3,6 Prozent. Damit liegen diese noch immer deutlich über ESG-Fonds. Beim BVI geht man jedoch davon aus, dass die „Aerospace & Defence“-Quote bei ESG-Fonds im Zuge der zunehmenden Implementierung der neuen Regelungen weiter ansteigen wird.
Nachhaltige Fonds im Aufwind
Insgesamt verwalteten Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen gemäß EU-Offenlegungsverordnung im ersten Halbjahr 2025 ein Vermögen in Höhe von 1.210 Milliarden Euro. Damit ist das Volumen gegenüber dem Jahresende 2024 (1.048 Milliarden Euro) um 15,5 Prozent gestiegen. Insbesondere institutionelle Anleger setzten vermehrt auf ESG-Fonds: Nachhaltige Spezialfonds erlebten im ersten Halbjahr 2025 Mittelzuflüsse in Höhe von 3,6 Milliarden Euro und verwalteten Mitte des Jahres 467 Milliarden Euro für ihre institutionellen Kunden. Bei nachhaltigen Publikumsfonds hingegen sank das Volumen im ersten Halbjahr um 1,3 Milliarden Euro und belief sich zum 30. Juni 2025 auf 743 Milliarden Euro.